Promotionsthema | Constanze Zöllter

Attraktive Wohn- und Lebensstandorte – welche Stärken und Potenziale haben geschrumpfte Mittelstädte in peripheren Lagen? Eine Untersuchung von Standortentscheidungen anhand der Fallstudie Görlitz

Viele Großstädte und Metropolen in Deutschland sind Zielgebiete nationaler und internationaler Migration. Die zunehmenden Bevölkerungszahlen in diesen Städten führen häufig zu Überlastungserscheinungen, wie steigenden Preisen auf den Wohnungsmärkten, Segregationstendenzen innerhalb der Stadtgebiete, einer sich verschlechternden Umweltqualität und einer Überlastung von Einrichtungen der sozialen Infrastruktur. Dem gegenüber stehen zumeist kleinere Städte in peripheren Lagen vor der Herausforderung stagnierender oder schrumpfender Bevölkerungszahlen. Langanhaltende Bevölkerungsverluste über die letzten Jahrzehnte führen häufig zu hohen Leerstandsquoten, einem Verfall von Bausubstanz, einer geringen Auslastung von Versorgungsstrukturen, einer wirtschaftlichen Abkoppelung und dem Gefühl von Vernachlässigung und Stigmatisierung. In Zukunft stehen die verschiedenen Städte somit vor unterschiedlichen aber vergleichsweise großen Herausforderungen.

Das Promotionsvorhaben konzentriert sich auf geschrumpfte Mittelstädte (20.000 - 100.000 Menschen) in peripheren Lagen. Schrumpfung wird verstanden als ein Verlust von Bevölkerung aufgrund eines demographischen und wirtschaftlichen Wandels in diesen Städten. Ziel der Arbeit ist es, Faktoren herauszustellen, die eine Standortwahl in eben diesen Stadttyp begünstigen können sowie Stärken und zu fördernde Potenziale dieser Städte darzustellen, die dazu beitragen, dass sich geschrumpfte Mittelstädte als Alternativstandorte zu überlasteten Ballungsräumen erweisen. Diese Herangehensweise an aktuelle Herausforderungen von Schrumpfung betroffener Mittelstädte kommt ab von der häufig in der Forschung thematisierten generellen Abwärtsspirale dieser Städte und zeigt neue Entwicklungsperspektiven auf, ohne ein erneutes Wachstum dieser Städte als prioritäres Ziel zu verfolgen. Ein angestrebter Ausgleich der Bevölkerungsverteilung innerhalb Deutschlands kann den Druck auf Großstädte und Ballungsräume entschärfen, ohne ihn gänzlich zu beseitigen. Darüber hinaus hätte eine Ausgleichswirkung, insbesondere wenn sie einhergeht mit der Nutzung vorhandener Ressourcen wie leerstehender Gebäude und bestehender Infrastrukturen, positive Effekte für eine nachhaltige Stadtentwicklung.

Die inhaltliche Konzentration auf Mittelstädte erfolgt aufgrund des Vorhandenseins eines gewissen Versorgungsangebotes in diesen Städten, ohne jedoch die oft negativ empfundenen Überlastungserscheinungen vieler Großstädte und Ballungsräume aufzuweisen. Studien belegen, dass ein Leben in einer städtischen Umgebung von vielen Personengruppen nach wie vor bevorzugt wird. In der bisherigen Stadtforschung wird dem Stadttyp Mittelstadt dabei jedoch noch zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt und er wird häufig im Zusammenschluss mit Kleinstädten betrachtet. Die Fokussierung auf Mittelstädte in dieser Arbeit ist damit eine deutliche Abgrenzung zu bisherigen Studien und stellt charakteristische Merkmale dieser Städte heraus.

Darüber hinaus thematisieren bisherige Studien zur Wohnstandortwahl häufig das Wanderungsgeschehen in das suburbane Umland von Ballungsräumen und weniger in peripher gelegene Städte. Auch erfolgt meist eine Betrachtung von Personen, die eine Entscheidung zur Wanderung getroffen haben und analysiert deren Beweggründe und Motivationen. Gründe und Faktoren, die Personen von einer Umzugsentscheidung abgehalten haben, werden nicht erhoben. In dem Promotionsvorhaben wird ein neuer Ansatz zur Erkenntnisgewinnung verfolgt, indem sich gezielt mit der Standortentscheidung in eine geschrumpfte Mittelstadt auseinander gesetzt wird. Die Besonderheit besteht darin, dass die Relevanz einzelner Standortfaktoren abgefragt wird und darauf aufbauend Personen durch ihre Teilnahme am Projekt „Stadt auf Probe“ einen neuen Standort in einer geschrumpften Mittelstadt vorübergehend auch ausprobieren können. Am Ende des Aufenthaltes reflektieren sie die zuvor angenommene Bedeutung einzelner Faktoren anhand der persönlichen Erfahrung vor Ort. Dadurch kann eine Standortentscheidung auf Basis deutlich detaillierterer Informationen gefällt werden, als es bei interregionalen Wanderungen meist der Fall ist. Dieser experimentelle Projektansatz trägt dazu bei, dass neue Erkenntnisse für die Stadtentwicklung gewonnen werden können. Außerdem werden in die empirische Analyse der vorliegenden Arbeit somit sowohl Personen einbezogen, die eine Entscheidung für eine geschrumpfte Mittelstadt in peripheren Lagen getroffen haben als auch solche, die sich dagegen entschieden.

Empirische Grundlage der Dissertation bildet die Fallstudienstadt Görlitz und das Projekt "Stadt auf Probe – Wohnen und Arbeiten in Görlitz".