Die Arbeit fragt nach der Produktion von Urbanität in geschrumpften Städten, welche durch Leerstand und Brachen im Stadtraum gekennzeichnet sind.
Auf Grundlage sozialwissenschaftlicher Urbanitätskonzepte wird ein Verständnis von Urbanität als erweiterter gesellschaftlicher Möglichkeitsraum herausgearbeitet. Dieses bis in die Gegenwart wirkmächtige Urbanitätsverständnis wurde maßgeblich von der modernen Stadtsoziologie geprägt und orientiert sich an den seinerzeit rasant wachsenden Großstädten des Globalen Nordens. Trotz eines Bezugs zum Stadtraum wird Urbanität als soziale Qualität verstanden, welche grundsätzlich raumunabhängig in Erscheinung treten kann.
Ungeachtet der jahrzehntelangen, intensiven wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Urbanität spielen schrumpfende Städte in der Urbanitätsforschung bislang eine untergeordnete Rolle. Werden sie thematisiert, dann vorrangig als Orte der Desurbanisierung (Dirksmeier 2020; Häußermann und Siebel 1988; Lefebvre 1970). Demgegenüber steht ein v.a. in der städtebaulichen Literatur verbreitetes Verständnis von Leerstand und Leere als Möglichkeitsraum bzw. als terrain vague (Solà -Morales 1995; Lehner 2021). Zwischen der Annahme einer Desurbanisierung im Zuge von Schrumpfungsprozessen einerseits und der Herausbildung neuer urbaner Möglichkeitsräume in der Leere andererseits bleibt ein epistemologisches Vakuum, welches in der Arbeit zunächst theoretisch reflektiert und im Anschluss am Fallbeispiel der geschrumpften Stadt Görlitz empirisch unterlegt wird.